Stellungnahme der JU Strohgäu zu den Planungen einer Landeserstaufnahmeeinrichtung im Gebiet Schanzacker

Mit großer Verwunderung haben wir zur Kenntnis genommen, dass das Land Baden-Württemberg auf dem Gebiet Schanzacker die Errichtung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (kurz: LEA) plant. Aufgrund der vielen Bedenken, Sorgen und Fragen, welche zahlreiche Bürgerinnen und Bürger beider Kommunen an uns herangetragen haben, haben die beiden CDU-Fraktionen im Asperger und Tammer Gemeinderat mit den Vertretern beider CDU-Stadtverbände eine gemeinsame Sitzung abgehalten. In dieser kommen beide Fraktionen und Verbände einstimmig zum Entschluss, eine Landeserstaufnahmeeinrichtung auf dem Gebiet Schanzacker klar abzulehnen. Folgende Gründe haben uns zu dieser Position bewegt:

Besondere Lage

Zunächst müssen wir anerkennen, dass das vorliegende Gebiet Schanzacker eine Fläche in Besitz des Landes Baden-Württemberg auf der Gemarkung der Stadt Ludwigsburg ist. Ein Blick auf den Gemarkungsplan lässt jedoch unschwer erkennen, dass die vorliegende Fläche eine besondere Lage aufweist. Das Gebiet Schanzacker liegt aufgrund des Verlaufs der Bahngleisen abgeschnitten von der zusammenhängenden Gemarkung der Stadt Ludwigsburg auf der den Städten Tamm und Asperg zugewandten Seite der Bahngleise. Die Fläche kann somit eindeutig als „Exklave“ der Stadt Ludwigsburg auf der anderen Seite der Bahngleisen deklariert werden. Aus dieser besonderen Lage lässt sich somit schlussfolgern, dass eine Erschließung der vorliegenden Fläche ausschließlich über die Städte Tamm und Asperg möglich ist. Die Fläche selbst wird aktuell als Ackerland genutzt und weist keinerlei Infrastruktur, beispielsweise zur notwendigen Versorgung mit Strom und Wasser, auf.
Verkehr und Infrastruktur

Im Anschluss zum vorherigen Punkt der besonderen Lage der Fläche lassen sich auch besondere Belastungen für die Städte Tamm und Asperg in Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur ableiten. Da keinerlei direkte Verbindung zur Stadt Ludwigsburg besteht, muss der gesamte Zu- und Abfluss des Verkehrs über Tamm und Asperg verlaufen. Da die L1133 (Ludwigsburger Straße) als Hauptdurchfahrtsstraße durch die Stadt Tamm, die L1110 (Asperger Straße) als Hauptverbindungsstraße zwischen den Städten Tamm und Asperg sowie die Ortsdurchfahrt durch die Stadt Asperg ohnehin bereits an der Obergrenze der zumutbaren Belastung an Verkehr liegen, lehnen wir eine weitere Mehrbelastung klar ab. Dass die Zufahrtsstraßen zum Gewerbegebiet Lehenfeld ebenfalls ausgebaut und erweitert werden müssten und dies auch hier zu einer spürbaren Mehrbelastung führen würde, untermauert unsere Position weiter. Die mit dem zusätzlichen Verkehr einhergehende erhöhte Lärmbelastung empfinden wir ebenfalls als nicht zumutbar für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Umweltschutz & Naherholung

Das Gebiet Schanzacker wird von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern als Naherholungsgebiet genutzt. Die Fläche liegt in einem durch den Verband der Region Stuttgart als „regionaler Grünzug“ markierten Bereich in unmittelbarer Nähe zum Nordhang des Hohenaspergs. Das Gebiet stellt eines der letzten großen zusammenhängenden Streuobstwiesen-Flächen im Landkreis Ludwigsburg dar und dient aufgrund seiner geringen Bebauung zudem als Frischluftschneise für die Städte Tamm und Asperg. Aufgrund der besonderen Flora und Fauna wurde das gesamte Gebiet nördlich des Hohenaspergs bereits vor Jahrzehnten als Landschaftsschutzgebiet deklariert. Es bietet unter anderem der in Deutschland auf der roten Liste der gefährdeten Tiere stehenden Feldlerche ein Rückzugsgebiet. Eine Bebauung dieser Fläche in unmittelbarer Nähe zu diesem Landschaftsschutzgebiet lehnen wir deshalb ab. Unabhängig vom Zweck der Bebauung haben wir bereits im Jahr 2009 die Planungen zur Ansiedlung einer Spedition auf dieser Fläche entschieden abgelehnt – die Argumente von damals haben für uns nach wie vor Bestand.

Ungleiche Verteilung von Lasten

Wir sind uns darüber im Klaren, dass aufgrund der aktuellen Situation eine politische Notwendigkeit besteht, mehr Unterkünfte für geflüchtete Menschen zur Verfügung zu stellen. Wir möchten hierbei zunächst uneingeschränkt festhalten, dass wir Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, auch weiterhin Schutz bieten müssen und werden. Dass die Aufnahme geflüchteter Menschen auch mit Herausforderungen verbunden ist, ist offensichtlich. Wir möchten gerade deshalb hervorheben, dass zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Tamm und Asperg sich bereits heute in der Flüchtlingshilfe engagieren und eine exzellente und wichtige Arbeit vor Ort für die geflüchteten Menschen leisten. Ihnen allen gilt unser Dank, unsere Anerkennung und Unterstützung. Wir müssen jedoch auch feststellen, dass die Kapazitäten für eine derartige Arbeit und ehrenamtliches Engagement Grenzen aufweisen und der Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit nicht nur in ganz Europa, sondern auch bei uns vor Ort eine zentrale Rolle spielt. Da ein Umdenken in der Migrations- und Flüchtlingspolitik auf bundespolitischer Ebene, insbesondere bei den regierenden Ampelkoalitionären SPD und Bündnis90/Die Grünen, nicht in Sicht ist, besteht auf landespolitischer und kommunaler Ebene die Notwendigkeit zur Schaffung von weiteren Unterkünfte zur Aufnahme von geflüchteten Menschen. Dass eine derartige Unterkunft jedoch in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem zwischen unseren beiden Kommunen erfolgen soll, ist für uns mehr als fragwürdig. Dass eine LEA mit circa 1.200 Flüchtlingen Städte wie Asperg und Tamm mit knapp 14.000 respektive knapp 13.000 Einwohnern über die zumutbare Belastungsgrenze bringen würde, ist unserer Auffassung nach mehr als offensichtlich. Eine derartig hohe Anzahl würde unsere Strukturen und Kapazitäten spürbar überlasten, weshalb uns die Sorge umtreibt, dass die Integration und Betreuung der geflüchteten Menschen vor Ort nicht mehr so möglich sein wird, wie sie eigentlich notwendig wäre.

Sorgen der Bürgerinnen und Bürger

In den letzten Tagen haben uns darüber hinaus zahlreiche Fragen und Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern unserer Kommunen erreicht, die berechtigterweise Sorgen und Ängste umtreiben. Das Land Baden-Württemberg hat bereits kundgetan, dass die auf dem Schanzacker geplante LEA primär zur Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Syrien und Nordafrika angedacht ist. Aufgrund der Erfahrungen von anderen Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg haben auch wir Bedenken, dass auf dem Gebiet Schanzacker ein neuer sozialer Brennpunkt entstehen könnte. Dass dieser sich auch unmittelbar auf unsere beiden Städte auswirken kann, zeigt die Lage des Gebietes an unseren Gemarkungsgrenzen in teils unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung, wie beispielsweise im Wohngebiet „Am Reitweg“. Zudem sind insbesondere die vom Standort Schanzacker fußläufig erreichbaren Bahnhöfe der Stadt Asperg und Tamm sowie das Asperger Freibad hier im Fokus unserer Bedenken. Das Engagement und die Akzeptanz für geflüchtete Menschen ist in unseren beiden Kommunen sehr hoch – wir dürfen diese jedoch nicht derartig ausreizen und müssen darauf achten, dass eine Sozialverträglichkeit gewahrt und auch dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger Rechnung getragen wird. Eine Unterkunft dieser Größe würde beiden Aspekten nicht mehr gerecht werden.

Schlussplädoyer

Selbstverständlich ist uns bewusst, dass wir bei den angestrebten Planungen rein formal nicht in der Rolle der „Entscheider“ sind. Die Zuständigkeiten für die Planungen liegen zunächst bei der Stadt Ludwigsburg und dem Land Baden-Württemberg. Wir möchten jedoch aufgrund der spürbaren Auswirkungen für unsere beiden Städte eindeutig feststellen, dass wir fortan über den Stand der Planungen nicht nur informiert werden, sondern auch aktiv mitsprechen und unsere sachlichen Bedenken äußern und vortragen möchten. Es kann nicht sein, dass die große Kreisstadt Ludwigsburg gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg etwas plant, dessen Auswirkungen und Lasten schlussendlich andere zu tragen haben. Die Äußerungen des Ludwigsburger Oberbürgermeisters Matthias Knecht haben uns dabei zutiefst irritiert. Wie man beim Gebiet Schanzacker von einer „verkehrlich exzellent gelegenen Fläche“ für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung sprechen kann, ist für uns nicht nachvollziehbar und macht zugleich deutlich, dass die Lasten dieses Vorhabens die weitaus kleineren Kommunen Tamm und Asperg zu tragen haben. Die Aussage, dass das Land eine „kleine Stadt“ für die geflüchteten Menschen auf dem Gebiet Schanzacker errichten soll, ist unseres Erachtens realitätsfern. Bisweilen scheint es so, dass der Ludwigsburger Leitsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ nicht für Vorhaben gilt, die man nicht vor der eigenen Haustüre realisiert haben und lieber an den äußersten Rand der eigenen Gemarkungsgrenze schieben möchte. Diesen Ansatz lehnen wir entschieden ab.
Schlussendlich geht es nun darum, dass alle drei beteiligten Kommunen und das Land Baden-Württemberg auf Augenhöhe über das Vorhaben sprechen und verhandeln müssen. Wir möchten das Land Baden-Württemberg dabei auch ausdrücklich auffordern, weitere Flächen oder bestehende Gebäude im Land für eine neue Landeserstaufnahmeeinrichtung in die Prüfung mitaufzunehmen. Die Bewertung einer Fläche ohne eine zugehörige Alternative, unter welcher man verschiedene Gesichtspunkte vergleichen könnte, nimmt eine Entscheidung geradezu vorweg. Unsere beiden Fraktionen und Verbände sind ausdrücklich für jeden Dialog offen und bereit. Wir werden den Prozess sachlich und kritisch begleiten und das Interesse der Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Städte klar und deutlich vertreten. Unsere Grundüberzeugung wird sich hierbei jedoch nicht verändern: Aufgrund der aufgeführten verschiedenen Gründen lehnen wir ein mögliches geplantes Bebauungsvorhaben mit einer Landeserstaufnahmeeinrichtung im Gebiet Schanzacker klar ab.

Tamm und Asperg, der 27. Februar 2023

Die CDU-Fraktion im Tammer Gemeinderat
Die CDU-Fraktion im Asperger Gemeinderat
Der Vorstand des CDU-Stadtverbandes Tamm
Der Vorstand des CDU-Stadtverbandes Asperg
Der Vorstand der Jungen Union Gebietsverband Strohgäu