Auch gut eine Woche nach einem erneut letzten Platz für Deutschland beim Eurovision Song Contest sitzt der Stachel bei vielen noch tief, die der Rockband Lord of the Lost zumindest eine bessere Platzierung als den letzten Rang gewünscht hätten. Dabei war der deutsche Beitrag, entgegen vieler negativer Stimmen und dem letztlich wie so oft ernüchternden Ergebnis, gar nicht so unbeliebt wie es auf den ersten Blick scheint.
Beim Televoting erreichten die Hamburger in Österreich (5. Platz), Finnland (6. Platz) und in der Schweiz (7. Platz) jeweils Top-Ten-Platzierungen. In Australien und Rumänien schaffte Deutschland dann aber nur noch den undankbaren elften Platz, der schon ohne Punkte bleibt. Insgesamt wurde Deutschland auf Rang 15 gewählt, landete letztlich in der Gesamtwertung aber auf dem 26. Platz. Hierbei liegt für uns eines der erheblichsten Probleme des ESC. Durch die unfaire Punktevergabe fallen Beiträge, die im Normalfall im Mittelfeld landen würden, hinten runter.
Dies ist hauptsächlich ein Problem der nationalen Jurys, die fast ausschließlich allesamt aus Experten der Musikszene bestehen. Selbstverständlich tendieren jene in ihrer Bewertung eher in dieselbe Richtung. Die Vielfalt ist dabei verloren gegangen. Und jedes Jahr entfernen sich Jury- und Publikumsabstimmung immer weiter. Der ESC kann und darf in dieser Form nicht mehr ausgetragen werden. Eine Reformation ist unabdingbar. Wir fordern: die Jury jedes Teilnehmerlands (und dazu gehören auch nicht die Zuschauer in Südamerika, die in diesem Jahr ebenfalls abstimmen durften) muss Punkte von 1 bis 26 verteilen. Somit könnte sichergestellt werden, dass alle Kandidaten im Gesamtkontext bewertet und somit nicht mit ggf. objektiv schlechteren Beiträgen gleichgestellt werden. Die Jurys der Länder dürfen dabei nicht nur aus Experten bestehen, sondern aus Juroren aus verschiedenen Bevölkerungsschichten.
Seit 2016 ist die Abstimmung im ESC-Finale hälftig zwischen nationalen Jurys und dem Publikum aufgeteilt. Allerdings haben nationale Jurys aus Ländern, die bestimmten regionalen Blöcken angehören, wie der skandinavischen Halbinsel oder dem westlichen Balkan, im Laufe der Zeit die Tendenz gezeigt, füreinander zu stimmen. Es zeigt sich: Der Musikwettwettbewerb Eurovision Song Contest hat mit der eigentlichen Quintessenz Musik kaum bis nichts mehr zu tun. Das Voting verkommt immer mehr zu einem rein politisch und seit längerem auch geopolitisch aufgeladenen Akt. Es werden sich gegenseitig die Punkte hin- und hergeschoben. Nur Deutschland bekommt keine mehr. Nicht von den Jurys aus Österreich, nicht aus der Schweiz, aus Polen, Frankreich oder den Niederlanden. Warum? Offensichtlich, weil wir unbeliebt sind. Weil wir Deutschen gerne mit dem Finger auf andere zeigen und gerne halb Europa belehren wollen.
In Liverpool zeigte sich passend dazu eine Parallele zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, bei der die deutsche Nationalmannschaft, 2014 noch Weltmeister, in der Vorrunde ausschied. Während sich alle Teilnehmer zu Beginn der Show ganz selbstverständlich mit ihrer Nationalflagge präsentierten, entschied sich Lord of the Lost dafür, ihr Herkunftsland zu verleugnen und auf Schwarz-Rot-Gold zu verzichten. Als einziges Land lief Deutschland statt mit einer Landesfahne mit einer Regenbogenflagge ein. Und das, obwohl wir, im Gegensatz zu Tschechien oder Kroatien, ganz sicher keine politische Botschaft im Song hatten. Insbesondere in Osteuropa dürfte das nicht allzu gut angekommen sein.
Früher hat Deutschland wenig hehl um sich gemacht, war bescheiden, und leistete dafür viel – klassisches Understatement also. Das ist heute genau andersherum und das ist die Quittung. Dies zeigt sich im Kleinen genauso wie im Großen. Statt sich wie der Oberlehrer Europas aufzuspielen, sollten wir wieder zurück zu den Wurzeln. Denn so leidet unser Image immer weiter – nicht nur beim Ergebnis beim ESC. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass sich halb Europa über „die Deutschen“ lustig macht. Wie auch in der Europäischen Union im Großen geben wir auch beim Eurovision Song Contest im Kleinen das nötige Kleingeld für „die Show“, verlangen dafür Platz eins. Den kann man sich allerdings nicht erkaufen, sondern nur mit Sympathie gewinnen.
Verantwortlich für die Finanzierung zeichnet sich der Norddeutsche Rundfunk. Die JU fordert den NDR deshalb auf, im kommenden Jahr keinerlei Geld für dieses inzwischen politisch aufgeladene und damit fragwürdige Event mehr bereitzustellen. Letztlich bezahlt dies nämlich der deutsche Gebührenzahler. Zumal es im Vorfeld bereits Anzeichen auf eine Verfälschung des deutschen Vorentscheids gegeben hatte. Inklusive fragwürdiger Punktevergabe auch aus dem Ausland. Richtig ist, dass sich das Land für diesen Beitrag per Abstimmung entschieden hat.
Richtig ist aber auch, dass wir als deutsche Teilnehmer gemeinsam mit vier anderen Ländern regelmäßig im Finale gesetzt sind, weil wir zu den Hauptsponsoren dieses Musikwettbewerbes zählen. Deshalb sollten wir nun für ein Jahr aussetzen. Im Übrigen hatte selbst Luxemburg, das als kleines Land den Wettbewerb bereits fünf Mal und damit deutlich öfter als Deutschland gewonnen hat, 30 Jahre ausgesetzt. Im kommenden Jahr sind unsere Nachbarn wieder dabei. Es ist also kein Beinbruch, sich zu besinnen und dann mit neuem Elan und überarbeitetem Konzept wieder anzugreifen.
Zu diesem sollte eine (Teil-)Vergabe der Rechte für den nationalen Vorentscheid an eine private Medienanstalt gehören. Seitdem ProSieben nicht mehr in jenen involviert ist, hat es Deutschland beim ESC kaum mehr auf vordere Plätze geschafft. Zumal unsere letzte Siegerin Lena in einem über Woche andauernden Ausscheid ermittelt wurde. Ähnlich ist es bspw. bei unseren Nachbarn Österreich oder dem diesjährigen Gewinner Schweden. Dort ist der eigentliche Wettbewerb sogar nur so etwas wie eine Zugabe. Das Melodifestivalen, der landeseigene Vorentscheid, ist das meistgesehene Fernsehevent, das sechs Wochen lang dauert und in vier Halbfinals und zwei Finalabenden bei Einschaltquoten von bis zu 80 Prozent ausgetragen wird. Vielleicht liegt es auch an dieser strengen, schweren Vorauswahl, dass die Schweden nun bereits zum siebten Mal gewonnen haben? Und das ganze Volk steht hinter dem Act, da es in einem fairen und transparenten Verfahren gewählt wurde. Ein wahrer ESC-Hype, welcher in Deutschland seit Lena nicht mehr da war. Die Junge Union Kreisverband Ludwigsburg hofft, dass er wieder kommt. Im Sinne des europäischen Gedankens und der Kunst der Musik.
Der Initiator und Pressereferent der Jungen Union Kreisverband Ludwigsburg, Tobias Weißert, erklärt dazu: „Seit Jahren bin ich großer Fan des ESC und freue mich als bekennender Europäer schon in den Vorwochen, dass der ganze Kontinent in Frieden zusammenkommt, um die Musik zu feiern. Leider beobachte ich seit einigen Jahren eine zunehmende Politisierung des Wettbewerbs, in dem nicht mehr die Künstler und deren Performance auf der Bühne im Vordergrund stehen, sondern immer mehr äußere Einflüsse.“
Lukas Tietze, Kreisvorsitzender des Verbands, ergänzt: „Die Punktevergabe und Deutschlands Rolle als Geldgeber müssen bei den Verantwortlichen und beim NDR grundlegend überdacht werden. Es kann nicht sein, dass wir mit Gebühren jedes Jahr aufs Neue letzte Plätze fabrizieren. Gerade in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen fragen, ob der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk in seiner jetzigen Form überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat, müssen wir vorsichtig mit den finanziellen Mitteln umgehen und die Bürger mitnehmen.“